Mit dem BIBER zur nächsten Enttäuschung

25 May 2019 16:17 Von Philipp Karch

Wenn du dich manchmal fragst, ob ein Tiger in dir schlummert, keine Ahnung. 

Solltest du dich aber fragen, ob ein Biber in dir lebt, definitiv ja. Und der treibt dich täglich zu Enttäuschungen. Weil du einfach nicht lassen kannst von deinen zahlreichen Erwartungen.

Drei Fragen

Wetten, du wirst zwei Mal mit "Ja" und einmal mit "Nein" antworten? Und genau in dieser Reihenfolge? Und weiter unten schmunzeln? Lass uns wetten.

  • Frage 1: Würdest du gerne ein Leben mit wenig Enttäuschungen führen? Was für eine rhetorische Frage. Schon klar, oder? Dein erstes "Ja".
  • Frage 2: Wärest du gerne unabhängig von anderen, also so wenig angewiesen auf andere wie nur möglich? Wohl auch, nicht wahr? Dein zweites "Ja".
  • Und Frage 3: Wärest du deshalb (!) bereit, auf einen Großteil deiner Erwartungen verzichten, damit du erst gar nicht in Abhängigkeiten gerätst? Und dadurch weniger Enttäuschungen drohen? Nicht so wirklich, oder? Und damit ein "Nein".

Dein Widerspruch

Falls es zutrifft, dass du die ersten beiden Fragen bejahst und die dritte verneinst, dann würde es dir gehen wie den meisten. Du hättest einen Widerspruch entdeckt: Auf der EINEN Seite willst du wenig(er) Abhängigkeiten und Enttäuschungen, auf der ANDEREN Seite willst du an deinen Erwartungen festhalten. Erwartungen an das, was andere tun oder lassen sollen. Beides geht nicht. Entscheide dich. 

Meine Anregung

Hinterfrage ALLE Erwartungen und lass fast alle los. Nicht alle, denn dann würdest du zum Spielball der anderen werden. Sie könnten mit dir machen, was sie wollen. Daher ein klares Nein zu „vollständiger Erwartungsauflösung“. Aber was spricht gegen eine „umfängliche Erwartungsauflösung“, sagen wir: 90 Prozent?

Und zwar jene, auf die du gut verzichten kannst, ohne dich zu verraten, ohne dich zu verleugnen. Jene Erwartungen, die du mit einem „Nice-to-have“ umschreiben würdest. Schön, wenn sie erfüllt sind, aber kein Weltuntergang, falls nicht.

Worauf warten? Warum nicht noch heute anfangen? Ach was, jetzt sofort. Und für den Rest deines Lebens. Warum könnte sich das lohnen? Weil du dich dann nicht länger wegen Nebensächlichkeiten ärgern würdest. Noch konkreter: Weil du auf Energie- und Zeitverschwendung keinen Bock mehr hast.

Der Weg zur Enttäuschung

Oft scheint es so, als wäre unser Gefühl der Enttäuschung die unmittelbare Folge einer unerwünschten Tat (oder Nicht-Tat) einer anderen Person. Wenn wir jedoch genauer hinsehen, erkennen wir Zwischenschritte. 

Etwas vereinfacht können wir uns die Entstehung von Enttäuschungen als einen fünfstufigen Reizreaktionsmechanismus vorstellen, den wir uns mit dem Akronym BIBER merken können. Die fünf Buchstaben von BIBER stehen jeweils für die Anfangsbuchstaben der fünf Phasen – von der anfänglichen Beobachtung bis hin zur konflikthaften Reaktion (Auszug aus dem Buch Was mich ärgert, entscheide ich. Konflikte klug bewältigen (S. 37):

HÖRBUCH

Du willst dir das Ganze noch mal in Ruhe anhören? Dafür findest du hier das HÖRBUCH. 

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  • 02_Kap2.2_BIBER_Erwartung
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Fazit & Ausblick

Wähle weise. Entscheide bei jeder einzelnen Begegnung, ob du dich (weiter) ärgern willst, nur weil dein Gegenüber (mal wieder) eine deiner zigtausenden Erwartungen nicht erfüllt hat. Halte an ihr fest und sei bereit für eine Enttäuschung. Oder lass sie los und befreie dich aus der Abhängigkeit. 

Für mich gilt: Ich halte nur an jenen Erwartungen fest, die unmittelbar meinem Überleben dienen und mit meiner Integrität zu tun habe. Konkret: Ich habe die Erwartung, dass mich erstens niemand tötet, dass mir zweitens niemand körperlich weh tut und dass drittens niemand über mich urteilt bzw. davon ausgeht, dass ich sein Urteil zu meinem mache. Daher habe ich ne Menge Einwände gegen Adjektive, aber das ist ein anderes Thema und soll an anderer Stelle besprochen werden …

Nächste Woche schauen wir uns den Unterschied zwischen Beobachtungen und Bewertungen an, also den beiden "B's" aus dem BIBER. Wir werden sehen: Wer beobachten kann ohne zu bewerten, ist klar im Vorteil. Oder mit Krishnamurti: Die höchste Form menschlicher Intelligenz ist die Fähigkeit, zu beobachten ohne zu bewerten

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